vft: Die Waldbrandsaison in diesem Jahr in UK war mit keiner anderen bisher vergleichbar. Waldbrände haben alle Winkel des Landes im Jahr 2020 heimgesucht. Wie ist die Situation in Lancashire?
SW: Lancaster ist von offener Moorlandschaft umgeben und wir erleben in unserem Bezirk eine signifikante Zahl an Waldbränden. Seit ich mich vor 30 Jahren der Feuerwehr anschloss, haben wir einen deutlichen Anstieg bei der Schwere der Waldbrände erlebt, die auch früher im Jahr beginnen und später im Jahr enden und damit zu einer Verlängerung der Waldbrandsaison führen. Junge Feuerwehrleute wissen das nicht, aber wir hatten früher eine Pause zwischen den Frühlings- und Sommerbränden, so im Juni, weil die Vegetation grün und voller Feuchtigkeit war. Jetzt brennen unsere Moor- und Heidelandschaften auch wenn sie grün sind, weil die Vegetation, aufgrund der milderen und feuchteren Winter, viel mehr gewachsen ist als früher. Aufgrund der ausreichend verfügbaren Feuchtigkeit entwickeln die Gräser keine langen Wurzeln, folglich erreichen die Wurzeln in warmen Perioden das Wasser nicht mehr, das sie benötigen, dadurch werden die Gräser trocken wie Zunder und zu einem guten Brennstoff, auch wenn sie grün sind. Diese Änderung der Vegetationsbedingungen bieten beste Voraussetzungen für Waldbrände. Dies ist ziemlich besorgniserregend. Es wird für uns immer schwieriger, Brände größeren Ausmaßes über längere Zeiträume gleichzeitig in Lancashire und in ganz UK zu bekämpfen.
vft: Sie bestätigen das, was Experten von Copernicus vor kurzem zum Ausdruck gebracht haben. Veröffentlichungen bestätigen, dass „die Waldbrandsaison in UK einst hauptsächlich auf die Monate April und Mai beschränkt war, aber dass es in den letzten Jahren zu Waldbränden über das gesamte Jahr, insbesondere in England, gekommen ist.”
The UK wildfire season was once confined to mostly April and May, but recent years have seen wildfires burning throughout the year, especially in England [8/10] pic.twitter.com/6cUBS3PxAD
— Dr Thomas Smith 🔥🌏 (@DrTELS) August 10, 2020
SW: Genau. Um bei der Prävention und Kontrolle von Waldbränden zu helfen, wenn sie auftreten, arbeiten wir bei Präventionstaktiken und der operativen Brandbekämpfungsreaktion eng mit Regierungsbehörden, National Resilience, National Fire Chiefs Council (dem nationalen Rat der Feuerwehrkommissare), NFPA (USA), Pau Costa, Partneragenturen auf nationaler und lokaler Ebene und auch mit Landbesitzern und Landverwaltern zusammen, die das Land schon seit vielen Jahren bewirtschaften und diese Änderungen ebenfalls festgestellt haben.
vft: Trägt die globale Erwärmung zu dieser Entwicklung bei?
SW: Die globale Erwärmung spielt auf jeden Fall eine Rolle. Schneefälle und Frost, die wir in früheren Jahren hatten, haben sich verändert (ich erinnere mich, dass ich mich als Kind durch tiefen Schnee gekämpft habe, das kam regelmäßig vor, aber heute ist das ein sehr seltenes Ereignis). Die Winter sind nicht mehr so lang wie sie waren. Das Wetter ist in der Regel wärmer mit einer sanften Kurve in den Winter hinein und aus dem Winter heraus. Die Waldbrandsaison hat sich ausgedehnt, wir haben schon Waldbrände von Ende Februar bis Ende November, und das Ausmaß ist sehr viel größer, weil das Land trockener ist und keine Feuchtigkeit mehr gespeichert hat. Wenn diese Brände auftreten, breiten sie sich sehr viel schneller aus und brennen tiefer ein. Die Auswirkungen dieser Waldbrände sind schwerwiegender, weil auf dem Land über den Winter mehr Vegetation wachsen konnte, weil sie trockener ist und damit einen feinen, trockenen Brennstoff darstellt, und weil Feuchtigkeit fehlt. Das heißt, wenn wir diese Brände haben, breiten sie sich, dank dieser feinen Brennstoffe, sehr schnell aus und brennen sich für sehr lange Zeit tief in den Torf ein, häufig solange bis wir signifikante Regenfälle bekommen. Viele Waldbrände treten in der Nähe urbaner Flächen auf, der große Waldbrand in Winter Hill 2018 verursachte erhebliche Umwelt- und Gesundheitsprobleme in großen Teilen von Lancashire und dem Stadtzentrum von Manchester, aufgrund der Rauchwolken, die viele Menschen mit bestehenden gesundheitlichen Problemen, wie Asthma und vielem anderen, betrafen, und aufgrund der Hitze, die während des Brands in der Nacht herrschte, und da die Menschen ihre Fenster wegen der starken Rauchentwicklung nicht öffnen konnten und weil wenige Haushalte in UK mit Klimaanlagen ausgestattet sind, konnten viele Menschen nicht ausreichend schlafen.
vft: Könnten Sie uns Zahlen nennen, um die Ausmaße dieser neuen Waldbrände einzuordnen?
SW: In UK hat die Feuerwehr die folgenden Kriterien festgelegt, die von Waldbränden mindestens erfüllt sein müssen (alle weiteren Feuerausbrüche werden als kleine Brände betrachtet, die man in Spanien als ‚Conatos (kurzes Aufflammen)’ bezeichnet):
• Betrifft eine geographische Fläche von mindestens einem Hektar (10.000 Quadratmeter).
• Hat eine anhaltende Flammenlänge von mehr als 1,5 Metern.
• Erfordert eine gebundene Ressource von mindestens vier Feuerwehrleuten und Rettungsgeräte/-ressourcen.
• Erfordert Ressourcen über mindestens 6 Stunden.
• Stellt eine ernsthafte Gefahr für Leben, Umwelt, Eigentum und Infrastruktur dar.
In diesem Jahr hatten wir von Januar bis Juni in UK 110 Waldbrände, die diese Kriterien erfüllt haben, im ganzen Jahr 2019 waren es 96, wie Sie sehen können, ist das eine real wachsende Bedrohung.
vft: Jedes Land hat seine eigenen Besonderheiten, wenn es um Waldbrände geht…
SW: Ja, das stimmt. In UK haben wir meist Brände an der Oberfläche, die sich zu einem Bodenfeuer ausbreiten, dabei ist Torf beteiligt, der sehr schwer zu löschen ist und sehr viel Wasser braucht, Torffeuer können sich im Untergrund ausbreiten und in erheblicher Distanz von dem Punkt aufflammen, an dem das Feuer zuletzt zu sehen war.
Im Verlauf des Jahres kann es sehr trocken und heiß sein, weil der Wind die gesamte Vegetation ausgetrocknet hat, die dann keine Feuchtigkeit mehr aufweist, die Brände können sich dadurch in der Moorlandschaft sehr weit in die offenen Vegetationsflächen hinein ausbreiten Diese Brände können Flanken und Feuerfronten bilden, die viele Kilometer lang sind. Wir sehen auch mehr Brände in Aufforstungen, auf Flächen, wo es normalerweise nicht zu Bränden kommt, die Brandbekämpfung in Aufforstungen birgt größere Gefahren und es müssen andere Taktiken angewendet werden als in Moorlandschaften, wenn es möglich ist, teilen wir unsere Erkenntnisse in ganz UK und lernen von anderen Partnerorganisationen in der ganzen Welt, um uns besser auf Waldbrände vorbereiten und darauf reagieren zu können und die Bevölkerung und die Feuerwehrleute so gut wie möglich zu schützen.
vft: Welche Taktiken setzen Sie hauptsächlich ein?
SW: Feuer mit Feuer zu bekämpfen ist eine Technik, die wir versuchen, verstärkt einzusetzen, um Oberflächenbrände zu kontrollieren. Wir nutzen es für Schulungszwecke und auch zur Stärkung unserer Verteidigungslinien, um zu verhindern, dass sich unsere Waldbrände schnell ausbreiten. Natürlich gibt es Beschränkungen, wann wir das machen; wir können eine vorgeschriebene oder kontrollierte Verbrennung nur von Oktober bis März durchführen, dann können wir auch nur in den Landstrichen Verbrennungen vornehmen, in denen Brände auftreten, denn es gibt hydrographische Einzugsgebiete, aus denen wir unser Trinkwasser beziehen, und wenn wir dort Verbrennungen ausführen würden, könnte das Wasser kontaminiert werden und schlechte Gerüche annehmen. Wir haben auch Schutzgebiete, in denen die Lebensräume der Tiere geschützt sind, so dass wir an solchen Standorten keine Verbrennungen durchführen können. Und schließlich haben wir das feuchte britische Wetter in diesen Monaten, in denen Verbrennungen ebenfalls beschränkt sind. Das oben Gesagte sorgt für ein Wachstum an brennbarer Vegetation, das erhebliche Herausforderungen für die Kontrolle von Waldbränden mit sich bringt, wenn sie auftreten. Wir arbeiten weiter mit unseren Partnern daran, Brandschneisen in den Monaten ohne Waldbrände anzulegen, um die Ausbreitung großer Waldbrände in der Waldbrandsaison zu verhindern.
Sie müssen aber auch wissen, dass im Verlauf der Monate und den immer trockeneren Bedingungen, einige unserer Brände nicht mehr nur an der Oberfläche brennen, sondern dass sie mittlerweile auch tiefer brennen. Das sind Brände, die manchmal tagelang andauern, fortlaufend neu aufflammen, und bei denen es nur eine Löschmöglichkeit gibt, nämlich viel, viel Wasser; im Allgemeinen durch Regenfälle.
vft: Wir haben viele Bilder von Feuerwehrleuten gesehen, die Waldbrände in Ausrüstung bekämpfen, die eigentlich für Strukturbrände vorgesehen ist. Ist das in UK normal?
SW: Derzeit gibt es einige Feuerwachen, die keine PSAs ausschließlich für Waldbrände haben. Der Grund ist, dass sie täglich mit Strukturbränden (von Verkehrsunfällen, Überschwemmungen, Rettungseinsätzen...) zu tun haben, Waldbrände sind aber saisonal bedingt, so dass es eine Kosten-Nutzen-Abwägung ist, die fortlaufend überprüft wird. Wenn die Zahl der Waldbrände zunimmt, müssen PSAs für die Waldbrandbekämpfung angeschafft werden, um sicher und effektiver arbeiten zu können. Wir befinden uns in einer Übergangsphase und sind fortlaufend damit befasst, uns an die neue Generation der Waldbrände anzupassen, die auf uns zukommen werden. Derzeit befinden sich die Feuerwehren in unterschiedlichen Stadien, was ihre Fähigkeit betrifft, auf Waldbrände zu reagieren.
vft: Welche Strategien verfolgen Sie?
SW: Eine weitere Besonderheit in UK ist, dass die meisten unserer Waldbrände von Menschen gelegt werden. Wir haben nicht so viele Blitzeinschläge (höchstens 1 oder 2 pro Jahr). Die restlichen Waldbrände werden unbeabsichtigt durch Lagerfeuer oder Grills in Moorlandschaften oder in Forstgebieten verursacht und einige wenige werden bewusst entzündet.
vft: Welchen Plan verfolgen Sie, um dies zu verhindern?
SW: Schulungsprogramme sind entscheidend: wir arbeiten mit der National Fire Protection Agency (der nationalen Feuerschutzbehörde NFPA USA) und dem National Fire Chiefs Council (dem nationalen Rat der Feuerwehrkommissare) in UK zusammen, um Firewise aufzulegen, ein Freiwilligenprogramm, das den Rahmen dafür bereitstellen soll, dass sich die Bewohner organisieren, Anleitung finden und Maßnahmen ergreifen können, um den Feuerschutz in ihren Häusern und Gemeinden zu verbessern. Wir bieten auch mehrere Präventionstaktiken und Engagment-Plattformen, einschließlich einem Plan für soziale Medien und Agenturbriefings für Fernsehen und Medien, um das Bewusstsein der Bevölkerung in den wichtigsten Zeiträumen zu steigern.
Wir raten auch zu Schulungen in Unternehmen, um unsere Fähigkeiten und unsere Leistungen als Feuerwehrleute zu stärken, einschließlich neuer Techniken, Fahrzeuge, Ausrüstungen und PSA, um mit Bränden in Moorlandschaften und Wäldern sicher umzugehen, mit der richtigen Persönlichen Schutzausrüstung, den richtigen Verfahren und noch mehr Brandbekämpfungsgeräten.
vft: Wird dies ausreichen, um die kommenden neuen Herausforderungen zu meistern? Was sind Ihre nächsten Schritte?
SW: Wir haben immer größere Brände, deshalb müssen wir die Prävention verbessern und auch lernen, wie die Landflächen und die brennbaren Elemente zu verwalten sind, um das Risiko für die Feuerwehrleute zu reduzieren und unsere Umwelt zu schützen, wenn es zu Feuerausbrüchen kommt.
Als Feuerwehrbranche arbeiten wir jetzt sehr eng mit Einrichtungen (wie Diaspora oder Natural England), der Regierung, Landbesitzern und Wissenschaftlern zusammen, um kollidierende Prioritäten bei der Verwaltung der Landflächen anzunähern und dadurch das Risiko zu reduzieren und Waldbrände zu verhindern. Es gibt einen ökologischen Standpunkt und einen brandtechnischen Standpunkt. Deshalb treffen wir uns, um Beziehungen aufzubauen und ein besseres Verständnis zu bekommen und mehr gemeinsame holistische Ansätze beim Umgang mit Waldbränden und einer gemeinsamen Umweltstrategie zu haben.
vft: Würden Sie eine Vorhersage dazu wagen, wie sich die Waldbrandbekämpfung in UK in den nächsten 10 bis 20 Jahren verändern wird?
SW: Ich glaube, die Situation wird ohne Zweifel schlimmer werden, was die Häufigkeit und Schwere der Waldbrände betrifft, vielleicht nicht Jahr für Jahr aber sicherlich im Durchschnitt. Wir schauen uns jetzt Brände an, die ihr eigenes Wetter in UK erzeugen, dadurch verhält sich das Feuer am Boden anders und das Risiko wächst für Alles und Jeden in der Nähe, denn es wird sich am selben Standort nicht gleich verhalten wie beim letzten Mal. Es mag sein, dass unsere Brände nicht so schwer sind wie im Mittelmeerraum oder in den USA, aber unglücklicherweise sind wir auf dem Weg dorthin. Wir müssen uns wirklich anpassen. Wir müssen die Verantwortlichen im Umgang mit dem Klimawandel schulen und beeinflussen, so gut wir können, und wir müssen die Leistung unserer Feuerwehrausrüstungen überprüfen, denn wir können die sich schnell ausbreitenden Brände nicht mehr ohne angemessene Ausrüstung bekämpfen. Wir haben Fortschritte gemacht, aber wir müssen uns noch schneller bewegen, um uns an ein Leben mit Bränden anzupassen, weil wir sie sonst nicht aufhalten können!